Rezension: Papierjunge von Kristina Ohlsson (Bergman #5)

Papierjunge Kristina OhlssonIn einer jüdischen Gemeinde in Stockholm passieren an einem Tag zwei unfassbare Verbrechen: Zuerst wird eine Erzieherin vor den Augen von Kindern und Eltern erschossen, wenige Stunden später verschwinden zwei Jungen auf dem Weg zum Tennistraining. Fredrika Bergmann und Alex Recht werden mit der Aufklärung der Verbrechen beauftragt, zeitgleich ist der neue Sicherheitschef der Gemeinde und ehemalige Kollege, Peder Rydh, hilfreich bei den Ermittlungen. Bald stoßen die Ermittler auf die israelische Legende des Papierjungen, der sich in der Dunkelheit Kinder holt. Als die beiden Jungen tot aufgefunden werden, sieht es so aus als sei der Papierjunge zum Leben erwacht.
Stil, Machart, Meinung
Dieser Thriller hier ist ein echter Thriller. Man bekommt genau das, was man erwartet. Dabei sind die Thrillerelemente gut verstrickt mit einer tiefgründigen Geschichte und den Perspektiven vieler Beteiligter. Ermittler, Opfer, Täter und viele in die Sache Verwickelte bekommen Raum für ihre Perspektive. Der Schreibstil ist nach meinem Empfinden genau richtig, nicht schnörkelig mit unnützen Informationen aber trotzdem tiefgründig und informativ, ohne zu langweilen. Die besonderen Perspektiven zeigen, wie ein Ereignis viele Menschen beeinflussen kann und macht dem Leser auch das Motiv des Papierjungen verständlich.
Es kommt von Anfang an Spannung auf und ich mochte das Buch zu keiner Zeit aus der Hand legen. Dazu tragen einerseits die Kapitel bei, die eine perfekte Länge (nicht zu lang) haben und mit fiesen Cliffhangern sowie düsteren Andeutungen enden. Andererseits spielt die Autorin unglaublich gekonnt mit dem Leser, indem sie die perfekte Balance zwischen den Informationen gefunden hat, die sie den Lesern häppchenweise hinwirft.
Eine für mich ganz neue Taktik der Autorin wirkt für mich unglaublich gut: Bereits zu Beginn des Buches kommt ein Teil vom Schluss. Im zweiten Kapitel, „Schluss. Fragment 1“ erfährt der Leser von einer Frau, die gleich ihre Familie tot zuhause auffinden wird. Immer mal wieder wird dem Leser zwischendurch ein Fragment des Schlusses schon vorher serviert, und von diesem kleinen Kapitel gingen eine Menge Emotionen aus – zumindest war es bei mir so. Man bekommt in den anderen Kapiteln Hinweise und hat bald zwei Frauen im Sinn, von denen es wohl eine schwer treffen wird. Wer von beiden, das weiß man dann erst am Schluss.. dem richtigen Schluss dieses Mal. Und allein dieser Teil der Geschichte hat mich so unglaublich gefesselt und mit den kleinen Hinweisen zwischendurch auch wirklich beschäftigt. Eine neue, tolle Idee. Gekonnt umgesetzt.
Gefallen hat mir auch der Bezug zu Israel, das war eine für mich recht neue Welt und sehr interessant. Denn als drei Menschen einer jüdischen Gemeinde in Stockholm an einem Tag sterben, stellt sich die Frage ob es ein Hate Crime (Verbrechen aus Fremdenhass) oder etwas Persönliches war.
Die Reihe
Wie so oft in letzter Zeit ließ ich mich bei der Wahl des Buches von den „äußeren Faktoren“ (Cover, Teaser) leiten und musste dieses Buch einfach lesen. Als ich dann feststellte, dass dieser Band der 5. Band der Reihe um Fredrika Bergmann ist, war ich nicht abgeschreckt. Das Buch ist natürlich am besten, wenn man es auch wirklich nach den Vorgängern liest – da besteht kein Zweifel. Bei Reihen geht es ja immer auch um die Entwicklung der Charaktere, und bei so verschiedenen, vielschichtigen Ermittlerin ist Vorwissen sicher interessant. Trotzdem kann man dieses Buch problemlos auch ohne jegliches Vorwissen lesen. Gewisse Ereignisse aus der Vergangenheit werden angedeutet, und es klingt definitiv sehr interessant. Ich überlege, die anderen Teile nun auch zu lesen.
Was lernen wir daraus?
Ich habe diese neue, unglaublich gute Idee kennengelernt, die ich schon oben angesprochen habe. In Ansätzen war mir das schon über den Weg gelaufen, manchmal ist es einfach sehr gut für die Geschichte, wenn der Leser schon ganz am Anfang einen kleinen Vorgeschmack auf den Schluss bekommt. Ich erinnere mich da beispielsweise an „Totenhaus“, dort erfährt man gleich am Anfang das die Hauptperson irgendwann im Laufe der Geschichte mal irgendwo eingesperrt wird und zu verdursten droht. Hier ist das allerdings noch viel beser umgesetzt. Man nehme eines der grausamsten Szenarios, das man sich so vorstellen kann und lasse eine glückliche Frau auf dem Weg nach Hause sein, wo sie in genau das Szenario geraten wird. Und man gebe dem rätselnden Leser zwei Frauen, die diese Frau sein können. Dann werfe man über das (dicke) Buch hin immer mal wieder ein paar Hinweise in die Szenen herein.. schon hat man den Leser gefesselt. Natürlich ist das nicht so einfach, denn die beiden Frauen und das Schicksal der Familie wurden hier sehr gut in die Handlung eingebunden. Dieser Kniff hat mich als Leserin wirklich gekriegt und als Schreibende sehr beeindruckt. Es lässt sich allerdings nicht mal eben so in Geschichten einbinden, da muss schon alles passen.
Fazit
Ich vergebe, man ahnte es wohl schon, 5 Sterne. Ein fluffiger Schreibstil, ein zu jeder Zeit spannender Thriller mit Elementen eines Romans. Stockholm, Israel, Gegenwart, Vergangenheit, viele Betroffene Familien, viele Ermittler mit unterschiedlichen Hintergründen, viele Wendungen, ein gut zusammengesponnener Plot, Überraschungen und Kniffe. Ich bin begeistert, werde mir den Namen Kristina Ohlsson weit oben auf meiner To-Read-List notieren und empfehle sie sehr gern weiter!

PS: Hier gibt´s die Infos zum Buch auf der Verlagsseite, inklusive Informationen zu der Reihe (und Reihenfolge) und weiteren interessanten Sachen.

8 Antworten auf „Rezension: Papierjunge von Kristina Ohlsson (Bergman #5)

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  1. Liebe Alexandra,

    das hört sich aber gut an. Ich kenne noch keines der Bücher von dieser Autorin, aber ich werde sie mir nun merken. Da du schreibst es sei eine Reihe, würde ich dann mit dem ersten starten wollen.

    Vielen Dank für diese aussagekräftige Rezension.

    Liebe Grüß

    Nisnis

    Gefällt 2 Personen

  2. Ok, das muss man eigentlich nicht mehr kommentieren. Das Buch ist ein ganz heißer Favorit auf einen Platz in meiner Einkaufsliste. Rezension macht Appetit (ich liebe „fluffigen“ Erzählstil und bin sehr neugierig). Danke dafür!
    Liebe Grüße
    Jürgen

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